H.Schütz und J.S.Bach in der Michelskirche TB vom 23. Juli 1985
Chorale St-Michel stellt Schütz und Bach vor
Hatte es noch eines Beweises für die Popularität der „Chorale St-Michel“ bedurft, so wurde er zum Schütz / Bach-Konzert vor einigen Tagen geliefert. An einem gewöhnlichen Dienstag, zu einem Zeitpunkt, wo unzählige Konzerte gegeben wurden, brachte der Chor es fertig, die ,,Mëchelskiirch“ fast bis zum letzten Platz zu füllen. Dies scheint mir ein Vertrauensbeweis, wie er überzeugender nicht sein kann. Und wieder einmal konnte Dirigent Gerry Welter die Erwartung und das Vertrauen vollauf beantworten. Zuerst einmal durch die Programmgestaltung. Ich habe in der Tat seit langem kein so intelligent konzipiertes Konzertprogramm mehr gehört. Zwei absolut symmetrische Teile: Chorwerke, von Bläsern unterstützt zu Beginn und Abschluß beider Teile; zwei Werke von Schütz und zwei von Bach (wobei das letzte „Jauchzet dem Herrn, alle Welt“ eigentlich von Telemann stammt, und wohl eher wegen seiner Wirksamkeit programmiert war), dazwischen Transkriptionen für Blechbläser, ausgeführt vom Ensemble „Musica Aeterna“ und schließlich im Zentrum jeden Teils, ein Orgelwerk.
Sprechen wir zuerst von der Leistung des Organisten Carlo Hommel. Seine Deutung des Chorals „Nun danket alle Gott“, BWV 657, ließ die Cantus-Firmus-Melodie sehr schön zur Geltung kommen, während die Begleitung zum Teil doch etwas zu füllig im Klang war. Außerordentlich eindrucksvoll war seine Gestaltung der Fantasie und Fuge in g-moll, BWV 542, die Carlo Hommel sehr deutlich auf Kontraste in der Fantasie, auf Durchsichtigkeit in der Fuge aufgebaut hatte. Dabei wurde sowohl, die sichere rhythmische Strukturierung als auch der Sinn für Klangfarben des Organisten herausgestellt. Eine überzeugende Leistung, die wieder einmal all das an Können bestätigt, das Carlo Hommel eigen ist: Er gehört zu den erstklassigen Musikern des Landes!
Nicht weniger Positives können wir zum Ensemble,,Musica Aeterna“ sagen, obschon es Unterschiede zwischen den Musikern gibt, sowohl was das musikalische Verständnis als was das technische Können betrifft; dennoch tritt vor allem der Ensemble-Charakter sehr deutlich zutage, was auf intensive Probenarbeit schließen läßt. Wenn wir vor allem die Darbietungen von „Wachet auf...“, BWV 140 und von „Nun danket alle Gott“ aus BWV 79 herausstellen, so weil hier die technische Virtuosität und die ungewöhnliche Transparenz des Spieles in besonderem Maße deutlich wurden. Transparent und rhythmische Präzision sind auch die Vorzüge des Chores von St-Michel. Was Dirigent Gerry Welter mit diesern Ensemble aufzubauen wußte und weiß, verdient höchste Anerkennung. Schütz kam zu Ehren mit dem wunderschönen „Deutschen Magnificat“, Welters Konzept ging auf eine Verinnerlichung hin, die sehr ergreifend gestaltet wurde. Auch das „Cantate Dominum“, BWV 463, hatte trotz aller Feierlichkeit der Grundstimmung etwas Besinnliches, das dem Werk wohl anstand. Hier kamen die Vorzüge langer Probenarbeit zur Geltung: Sicherheit der Einsätze, schön ausgewogene Klangbalance, präzise Artikulation. Auch im hinteren Kirchenteil verstand man jedes Wort des Textes. Diese Vorzüge waren wohl angebracht in der Motette „Komm Jesu, komm“, BWV 229, der für mich schönsten Darbietung des Abends, wenn man absieht von der Choraldurchführung in „Jauchzet dem Herrn“. In diesem dem Chor vorbehaltenen Teil konnte der Dirigent noch einmal all seine Anforderungen durchsetzen: Intensität der Darstellung, Durchsichtigkeit in der Stimmführung, Klarheit der Aussprache, aber vor allem Überzeugung in der Aussage. Diese Ansprüche und ihre Verwirklichung (wobei stimmliche Probleme bei den Tenören, wie überall im Lande, nicht zu verschweigen sind) müssen in Zukunft als Maßstab für chorische Gestaltung gelten. guy wagner