Cherubini: Requiem c-Moll
LUXEMBURGER WORT DU 5 NOVEMBRE 1997
Vor allem das Requiem c-Moll von Luigi Cherubini
Allerseelenkonzert der"Chorale Saint-Michel" unter GerryWelter
Als "Hommage à Luigi Cherubini" war das traditionsreiche diesjährige Allerseelenkonzert des exzellenten Chorensembles von Saint-Michel unter der ebenso kompetenten wie engagierten Leitung seines künstlerischen Mentors Gerry Welter in der prallgefüllten Saint-Michel-Kirche angekündigt. Demnach soll auch die besondere Aufmerksamkeit des Rezenten in erster Linie der Realisation von Cherubinis Requiem in c-Moll gelten. Vor allem auch weil der erste Konzertteil unsere Erwartungen leider nicht ganz erfüllen konnte.
Dies gilt in erster Linie für die allzu pauschale Ausführung der "Vier letzten Gesänge" von Johannes Brahms durch den gesangstechnisch und dekla-matorisch (trotz gepflegter Diktion) überforderten Bariton Tom Osborne und die eher blasse Julia Knowles am Klavier. Aber auch die Realisation der "Arpeggione"-Sonate von Franz Schubert in der wenig glücklichen anonymen Fassung für Bratsche und Streicher, ließ doch manche Wünsche offen. Die Solistin Danielle Hennicot hatte, dank ihrer durchwegs kultivierten und warmen Tongebung, viele ansprechende Momente (Mittelsatz), die aber leider in den Ecksätzen durch manche technische Unachtsamkeiten - besonders in den hohen Lagen - beeinträchtigt waren. Zudem hatte ich den Eindruck, daß die Tempi für diesen Bratschenpart etwas zu breit waren und dass das eher punktuelle Dirigat von Gerry Welter kaum eine abgestimmte und in sich geschlossene Gestaltungsweise zuliess. Dieser (falsche) Schubert wirkte eher uneinheitlich und fast atemlos, trotz der gemächlichen Tempi. Man sollte doch lieber bei der allgemein akzeptierten Cello-Klavier Fassung bleiben, die den Intentionen des Komponisten am nächsten kommen dürfte.
Kaum Vorbehalte verdient die gewissenhafte und klangschöne Ausführung des Hauptwerkes, der Requiem-Komposition c-Moll des 56jährigen Luigi Cherubini. Auf die Begegnung mit dessen seichter "Marche Funèbre" hätten wir, trotz historischer Begründung, gerne verzichtet. Die Requiem-Vertonung bewegt sich gottlob auf höherem Niveau. Ab den ersten Takten zum introitus schien der Dirigent von der Präsenz seiner Sängerinnen und Sängern zu einem freieren und gelösteren Musizierstil animiert. Auch das symphonisch besetzte Ensemble "Les Musiciens" machte hier einen konzentrierteren Eindruck, wenngleich das Instrumentarium in Sachen Flexibilität mit dem Chor, nicht .ganz. mithalten konnte (z.B. bei der wogenden Bewegung des 2. Satzes). Mit fester aber entspannter Hand ordnete und regulierte Gerry Welter den Ablauf. Und seine Sänger folgten ihm mit einer Hingabe und mit einer Begeisterung, die der Realisation bis in die feinsten Verästelungen zugute kamen.
In dem 1816 entstandenen Werk dominieren die dunklen Töne, die sich am Ende jedoch in trostverheissender Atmosphäre auflösen. Werner Oehlmann schreibt zu Recht vom "schwermütigen Klang einer wahrhaft todesnahen, vom dunklen Geheimnis der Vergänglichkeit und der Wandlung inspirierten Musik".
Ausgesprochen dramatische Episoden sind in dieser Requiem-Vertonung selten. Um so imponierender erwies sich das Aufführungskonzept Gerry Welters. Er wusste den musikalischen Ablauf immer Wieder durch subtile agogische Schattierungen und diskrete artikulatorische Akzentsetzungen zu beleben. Vor alle der Chor zeichnete sich durch seinen differenzierten Vortragsstil aus. Die leisen Stellen hatten die nötige Wärme, den nötigen Schmelz, und in den Fortepassagen blieb der Chorklang in jedem Moment abgerundet und homogen,
obwohl. die unterbesetzten hohen Männerstimmen nicht ganz mit den drei übrigen Stimmregistern mithalten konnten. Einmal mehr verdient besonders die Intonationssicherheit der "Chorale Saint-Michel unseren vorbehaltlosen Respekt. Die durch und durch professionelle Einstellung und Arbeitsweise ihres Dirigenten bewirken und garantieren diesbezüglich ein erstaunliches Resultat.
Der lange und herzliche Schlussapplaus wird wohl in erster Linie den exzellenten Interpreten des Cherubini-Werkes, allen voran dem kompetenten Dirigenten Gerry Welter, gegolten haben.
loll weber