Dvorak: Stabat Mater (Kulturissimo)
KULTURISSIMO (Kulturbeilage Tageblatt) vom 08.12.2004 (par Guy WAGNER)
Vom Leiden und Sterben
Textauszug zu Dvořáks "Stabat Mater"
Warum leiden? Diese Frage stellt bewegend, auch für einen Nichtgläubigen, die Meditation des Jacopone da Todi: "Stabat mater", und erweckt tiefe, auch zwiespältige Empfindungen in der Fassung von Antonin Dvořák.
Dirigent Gerry Weiter ließ sofort aufhorchen: Gesammelt, konzentriert, überlegen, baute er eine komplexe, intensive Klangwelt auf und schaffte eine unmittelbare Spannung zwischen dem Monumentalen und dem Kammermusikalischen, fussend auf einem vollkommen verinnerlichten Text‑ und Musikverständnis.
Der erste Einsatz der "Chorale St. Michel" und des"Ensembie Vocal Cantica" bestätigte
bereits wieder, dass Welter ein Chordirigent der Sonderklasse ist und wie kaum ein zweiter die vielfältigen Aspekte von Chorwerken aufzulichten versteht. Mit Bescheidenheit und Engagement, innerer Ruhe und klaren Gesten umschiffte er die Klippen der Partitur gemeinsam mit den Sängern, den Solisten und den"Musiciens", bei denen sich allerdings einige geringfügige Unsicherheiten einschlichen. Dabei sollte man nicht vergessen, dass es sich bei den Choristen zumeist um Amateure handelt. Die aber boten Chorgesang vom Feinsten.
Die Solisten überzeugten: Ursula Dimmer mit einem reinen und feinen Sopran, Monique
Simon mit ihrem runden, ausgewogenen Mezzo ‑ ihre Darbietung des "lnflammatus" war ein leuchtender Höhepunkt‑, Marc Dostert mit sicher geführter Tenorstimme und Jean‑Paul Maierus (auch Leiter des "Ensernble Vocal Cantica") mit schön timbriertem, fülligem Bass.
Und immer wieder verstand es Gerry Weiter alle Interpreten im Geiste einer ehrlichen, tief empfundenen Auseinandersetzung um die Fragen des Leidens und Todes zusammenzuschweißen. Dabei gab es Momente, in denen einem die Tränen in die Augen stiegen. So konnte man nur sehr dankbar sein für ein derart aufwühlendes Musikerlebnis.