B.Britten: War Requiem (Kulturissimo)
"War Requiem"
Kulturissimo du 23 mai 2005 (par Guy Wagner)
Ergreifende Friedensbotschaft
Das gewaltige Kriegs‑Requiern, oder besser: Anti‑Kriegs‑Requiem des militanten Pazifisten Benjamin Britten (1913‑1976) erfordert eine so große Anzahl an Mitwirkenden, dass seine Aufführungen immer noch Seltenheitswert haben. Man muss daher bereits den Wagemut der Luxemburger"Chorale Saint‑Michel", an eine Produktion der gigantischen Partitur heranzugehen, bewundern und anerkennen.
Es bedarf nämlich nicht nur eines gewaltigen Chores, sondern auch noch eines Knabenchors; man braucht nicht nur ein Orchester, sondern zwei, mit zwei Dirigenten, und zudem drei Solisten. Wenn man dann bedenkt, dass die von Gerry Welter dazu aus fünf Ländern zusammengebrachten TeilnehÂmer das Werk zuerst am 8. Mai in Berlin, genau zum 60. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, aufführten und beÂreits am anderen Tag, dem "Europatag", im hauptstädtischen Konservatorium, so kommt man nicht umhin, die VorbeÂreitungsarbeit und Logistik dieses wagÂhalsigen Unternehmens voll Respekt herauszustellen und vor allem den einÂzigartigen Einsatz von Frau Josette Welter hervorzuheben.
Doch, das waren nur die VoraussetÂzungen. Die Frage, die sich jedem stellte, der als Zuhörer dem Konzert beiwohnÂte, lautete: Werden die Beteiligten die Komplexität und Schwierigkeiten der
Partitur, die unbestreitbar eine der größÂten des 20. Jahrhunderts ist, wohl meisÂtern? Können die einzelnen, disparaten Komponenten des Werkes auf homogeÂne Weise zusammengefügt werden? Schaffen es die Beteiligten, den Gehalt, den Sinn und den Geist des Werkes inspiriert zu vermitteln?
Diese Fragen können mit einem entÂschiedenen ja beantwortet werden, sieht man von kleinen Unebenheiten ab: Nicht immer verlief der Wechsel von großem zu kleinem Orchester problemÂlos; kleine Schwankungen gab es auch bei den Einsätzen der Chöre, die einige Schwierigkeiten zu haben schienen, die Anweisungen der Dirigentin Barbara Rucha immer genau zu interpretieren; auch entsprach die bulgarische Solistin Romelia Lichtenstein nicht ganz den Erwartungen, aber, was Britten seiner Frauensolostimme zumutet, können nur die wenigsten Sängerinnen ganz erfüllen.
Damit wären die kleinen Kritikpunkte bereits abgeschlossen, und es kann die Gesamtleistung herausgestrichen werÂden.
Das Arthur Rubinstein Philharmonic Orchestra Lodz aus Polen bestritt die große Orchesterpartie mit viel Disziplin, Engagement und Klangfülle. Musik vom Feinsten und Differenziertesten bot die Orchester‑Akademie der Berliner PhilÂharmoniker, die präzise und einfühlsam von Gerry Welter dirigiert wurde. So konnte der zweite
Dirigent die hervorragenden männlichen Solisten, den Tenor Philip Sheffield aus Großbritannien und den Bariton Thomas Mohr aus DeutschÂland, sicher geleiten und fein unterstütÂzen, und damit konnten die klagenden und anklagenden Texte des Dichters Wilfred Owen, selbst Opfer des Ersten Weltkriegs, eindringlich und überzeuÂgend ausgelegt werden: "l am the enemy you killed, my friend ... Let us sleep now."
Dank der sorgfältigen Einstudierung der Chöre: Chorale Saint‑Michel und "Cantiea" aus Luxemburg, sowie KarlÂForster‑Chor aus Berlin, nicht zu verÂgessen die "Pueri Cantores" (Pierre NiÂmax jr.), fügten sich diese zu einem erstaunlich homogenen und eindringliÂchen Ensemble zusammen, und die erst 33jährige Dirigenten Barbara Rucha, als Gesamtleiterin, vermittelte eine energiÂsche, dramatische und packende DeuÂtung von Brittens Friedensbotschaft.
Menschen vereinen und Völker verÂsöhnen über alle (Schützen)gräben hinÂweg, war nicht nur die Zielsetzung BritÂtens, sondern war auch die dieser AufÂführung.
Von Versöhnung in Berlin und von Einigkeit in Luxemburg kündend, klang das "War Requiem" mit dem "RequieÂscant in pace, amen", immer leiser werÂdend, in völliger Stille aus, und es dauerÂte lange, bis die Zuhörer durch stehende Ovationen ihrer Ergriffenheit Ausdruck geben konnten.