Nils Lindberg: Requiem
Philharmonie
Luxemburger Wort du 03 novembre 2008 (par Johannes Schmidt)
Die Unerbittlichkeit des Todes
Grosses Aufgebot für Requiem von Nils Lindberg
Nicht selten ist die Konzeption musikalischer Werke stark von den besonderen Fähigkeiten der Solisten geprägt, die die Komposition aus der Taufe heben sollen.
Mozart ist dafür ein berühmtes Beispiel, hat er sich doch seine Klavierkonzerte selbst auf den Leib geschrieben und auch BesonÂderes für bestimmte Sängerinnen oder etwa den Klarinettisten Anton Stadler komponiert.
Zu Nils Lindbergs Requiern aus dem Jahre 1993 werden im Programm fünf Solisten angegeben, neben drei Sängern auch zwei Instrumentalisten, was für ein dem Text verbundenes Oratorium eher ungewöhnlich ist. Noch ungewöhnlicher aber ist die Dominanz, mit der der Sopransaxophonist Anders Paulsson den gesamten Ablauf des Requiems prägt. Von der quasi improvisatorischen Einstimmung über minutenlangem dumpfem Paukenwirbel, die das Werk auch abschließt, über häufige Kommentare zu der, Chorpassagen bis zu Dialogen mit Solisten des verstärkten Luxembourg Jazz Orchestra bleibt Paulsson. präsent und dies sehr zum Wohlgefallen des Auditoriums
Denn sein Instrument klingt einfach wunderbar und lässt den berühmteren Kollegen Jan Garbarek fast verblassen. Wiewohl sich beide in der New-Age‑Attitude nahe zu stehen scheinen. Letzteres schlägt allerdings eher für den Komponisten Nils Lindberg zu Buche, der sich aber stilistisch keinesfalls auf New Age festlegen lässt. Dazu ist er dem Jazz zu sehr verbunden, was seinem Requiem zu ausgedehnten Bigband Zwischenspielen mit von ihm selbst ausgeführten pianistischen Einwürfen verhilft, die den Part des Chores ziemlich zurücktreten lassen. Zumal die leider nicht optimale Dosierung und Abmischung des Orchesters die Textverständlichkeit erschwerte.
Erfreuliche Ausnahme ist das mitreißend skandierte "Dies irae", wo sich die Begleitung auf perkussives Instrumentarium beschränkt. Ein Dialog zwischen Anders Paulsson und einem Tenorsaxophonisten der Band hatte zuvor in fesselnder Weise zu dieser zentralen Stelle der Totenmesse übergeleitet.
Eine weitere stilistische Referenz in Lindbergs Requiem scheint die Folklore seines Heimatlandes Schweden zu sein, und hierfür steht die Sopranistin Malin Foxdal. Von unmittelbarer
Wirkung ihr unbegleitet vorgetragener schwedischer Text über die Unerbittlichkeit des Todes, wobei der melismenreiche Gesangsstil allerdings eher Assoziationen an den Orient erweckt. Während Foxdal sich in ihrer Interpretation, vor allem auch bei einem beängstigend extremen Vokaleinsatz im "Kyrie" völlig von der Partitur gelöst hat, bleiben Séverine Delforge (Sopran) und Max Kiener (Bariton) in ihren wenig dankbaren Parts auf die Noten angewiesen.
Im Ganzen hinterlässt Lindbergs Requiem, was Aussage und Stil angehen, einen etwas zwiespältigen Eindruck. Im ersten Teil des Abends hatten die Chöre Saint‑Michel und "Grenzgänger" unter der erfahrenen Leitung von Gerry Welter zur Improvisation Paulssons Spirituals in recht behäbigen Tempi beigesteuert, während das Luxembourg Jazz Orchestra nach einer schwedisch angehauchten Ballade mit Nils Lindberg am Klavier zwei Jazzstandards servierte, wobei Virtuosität und Einfallsreichtum des Leaders und Solisten an der Trompete, Ernie Hammes, beeindruckten.