Chorale Saint-Michel Luxembourg

Revue de presse / LW 16-3-2010

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Luxemburger Wort am 16.3.2010

Von André Link

Jubiläumskonzert in der Fischmarkter Kirche

Ein erstaunliches Reservoir


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Die "Chorale Saint-Michel" interpretierte Bach-Kantaten mit dem Orchester "La Banda" und Weltklassesolisten


 Das Konzert vom vergangenen Sonntag war kein alltägliches. Zahlreiche Musikfreunde, darunter sehr viel Prominenz, hatten sich in der Michelskirche eingefunden, um deren Chor zu seinem 160-jährigen Bestehen zu gratulieren. Besonders geehrt wurde natürlich der Chorleiter Gerry Welter, der auch nach 50 Jahren Dirigententätigkeit - und trotz einer rezenten Augenoperation - noch immer einen ungetrübten Blick für die Schönheiten der Kirchenmusik und ihrer formvollendeten Wiedergabe hat. 

  Das Programm bestand ausschließlich aus Kantaten von Johann Sebastian Bach - und deren stilgerechte Aufführung ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. Man begann mit der Kantate BWV 140 „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ nach einem alten lutheranischen Choral von Philipp Nicolai. Gerry Welter schien es, so hatte man das Gefühl, in erster Linie um rhythmische Gleichmäßigkeit zu gehen, einem grundlegenden Element von Bachs Musiksprache. Mit seinen historischen Instrumenten - ebenso straffe wie geschmeidige Streicherlinien, untermischt vom warmen Licht der Holzbläser - trug das Ensemble „La Banda“ den Eingangschor und so fluteten die punktierten (!) Noten in großen gelassenen Wellen und mit wunderbarer Leichtigkeit durch den Kirchenraum. 

  Der Imitationskanon schien die Sänger auf eine harte Probe zu stellen, jedenfalls strömte ihnen der Schlusschoral doch gelöster aus den Kehlen. Dazwischen zwei Juwele von betörender Leuchtkraft: das Zwiegespräch zwischen der Seele und dem Heiland, das zwei britische Künstler von Weltrang, Katharine Fuge und Peter Harvey, mit extremem Feingefühl gestalteten: So verband die Sopranistin, die keine Unbekannte in Luxemburg ist, ein kristallreines Timbre mit ausgewogener Stimmführung und unüberhörbarer Freude am eigenen Gesang. Die Repliken des Basses zeugten von einer bis ins Kleinste ausgefeilten Bach- Interpretationskultur. Und die Begleitung der Duos „Wann kömmst du, mein Heil?“ sowie „Mein Freund ist mein“ - einmal durch den Konzertmeister Pieter Affourtit und zum zweiten durch 
die Oboistin Xenia Löffler - war von geradezu sinnlich berückender Schönheit. 


Einfühlsame Nuancen
  Schön sang auch der südafrikanische Countertenor Clint van der Linde, der (ohne ein Philippe Jarousky zu sein) insbesondere dem Schlussteil der Arie „Wenn kömmt der Tag“ (Kantate BWV 70) einfühlsame Nuancen eigener Prägung abzugewinnen verstand. Im Verbund mit dem Tenor fehlte allerdings die Symbiose, die Sopran und Bassbariton zu einer Einheit verschmolzen hatte, noch dazu hatten die beiden eine recht selbstbewusste Trompete zwischen sich (Duett „Er denket der Barmherzigkeit“, Kantate BWV 10). Was in keiner Weise die hervorragenden Qualitäten des Berliner Tenors Jan Kobow schmälert: Ohne sich je in den Vordergrund zu spielen, trat dieser klangschön intonierende Solist von allen noch am sichersten auf und tat sich durch eine kontinuierlich gepflegte, umsichtige Phrasierungskunst hervor. 

  Beim Ensemble „Banda", das ohne Zweifel mit den herausragendsten Barock-Orchestern unserer Zeit konkurrieren kann, sollte man außer den nervigen Streichern und den intonationssicheren Bläsern, die die immer wieder verblüffende Vielseitigkeit der Bach'schen Instrumentalbegleitung' zu strahlendem Glanz brachten, noch das Continuo erwähnen: Hier lehnte sich die Cellistin Daniela Wartenberg intuitiv hautnah an Michael Wersins makelloses Orgelspiel an. 

  Wie sollte eine solche Bravour nicht nur die Zuhörer verzaubern, sondern mit ihrem unwiderstehlichen Elan nicht auch die Chorvereinigung hinreißen? Der „Méchelskouer", von dem man mitunter meinen sollte, er sei zu brav, ermannte sich bereits im Eingangschor der Kantate BWV 10 „Meine Seele erhebt 
den Herrn“, wo die unverbrüchliche Metrik erstmals zu leben begann und dann in breiten Zügen atmete. 

  Vollends Mut hatte man dann in der krönenden Kantate BWV 70 „Wachet! betet! betet! wachet“ gefasst. Der Chor schöpfte aus sich ein Reservoir, das er vielleicht selbst nicht in sich vermutet hatte und das die anwesende Zuhörergemeinde erstaunte. Zu einem Ganzen zusammengeschweißt, ließ man sich von ungeahntem Schwung zu den Gipfeln des sakralen Chorgesangs emporheben. In diesem Sinne waren die Ovationen, Lobesreden und Blumenhuldigungen am Konzertende voll berechtigt. 

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(10/2010)

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